Über uns
Während in Deutschland, Niederlande, England und anderen europäischen Ländern sehr viele Living History Gruppen diese für Europa wichtige und interessante Zeit darstellen, wurde von Schweizern Reenactoren die Darstellung von Ereignissen aus dem Dreissigjährigen Krieg bisher stiefmütterlich behandelt und beschränkte sich auf einige wenige Einzeldarsteller.
2010 haben sich einige erfahrene Living-History-Darsteller zur Gruppe "Defensionale von Wyl" zusammengefunden. Alle Mitglieder stellen sich der Herausforderung, eine neue Zeitepoche zu recherchieren und zu rekonstruieren, um sie dem interessierten Schweizer Lebendige-Geschichte-Publikum präsentieren zu können.
Historischer Hintergrund
Das 17. Jahrhundert hat begonnen und die Reformation die christliche Welt erschüttert.
Protestanten und Katholiken ringen um die Macht als 1618 durch den zweiten Prager
Fenstersturz der Funke gezündet wird, welcher den Dreissigjährigen Krieg auslöst. Drei
Jahrzehnte wird das Heilige Römische Reich deutscher Nation und die umliegenden
Nachbarstaaten von kriegerischen Auseinandersetzungen erschüttert, die bisher nicht
gekanntes Verderben und millionenfachen Tod über Europa bringen. Nach diesem Leidensweg
wird 1648 jedoch mit dem westfälischen Frieden das Fundament für die Zukunft Europas
gelegt. Diese Zeit der Umwälzung und der Kriegswirren hat die Eidgenossenschaft
relativ unbeschadet überstanden.
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen schreibt dazu in seinem "Simplicissimus":
"Das Land (die Schweiz) kam mir so fremd vor gegen andern teutschen Ländern, als wenn
ich in Brasilia oder China gewesen wäre; da sah ich die Leute in dem Frieden handlen und
wandlen, die Ställe stunden voll Viehe, die Baurnhöf lieffen voll Hühner, Gäns und Enten,
die Strassen wurden sicher von den Reisenden gebraucht, die Wirtshäuser sassen voll
Leute, die sich lustig machten; da war ganz keine Forcht vor dem Feind, keine Sorg vor der
Plünderung, und keine Angst, sein Gut, Leib noch Leben zu verlieren; ein jeder lebte sicher
unter seinem Weinstock und Feigenbaum, in lauter Wollust und Freud, also dass ich dieses
Land vor ein irdisch Paradies hielte, wiewohl es von Art rauch genug zu sein schiene."
Auch wenn der Dreissigjährige Krieg die Schweiz nur gestreift hatte, war die Bedrohung
durch fremde Heere konstant vorhanden und schwappte einige Male auch über die
Grenzen. 1629 beispielsweise besetzten während der "Bündner Wirren" kaiserliche
Truppen die Bündner Pässe und immer wieder streiften katholische und protestantische
Truppen den Grenzverläufen entlang. Im Winter 1646/47 war der schwedische General
Wrangel bis an den Bodensee vorgestossen und hatte bereits Bregenz besetzt. Die
Eidgenossenschaft schreckte auf, denn die Bedrohung des angrenzenden Rheintals
sowie des Thurgaus war gross. Rasches Handeln war gefragt.
Bis anhin war das eidgenössische Militärwesen Sache der einzelnen Orte und die
Bestimmungen beruhten noch immer auf Bundesbriefen, dem Sempacherbrief und dem
Stanser Verkommnis. Angesichts der Veränderungen im Kriegshandwerkes in Europa
tauchte während den "Bündner Wirren" bereits die Idee einer neuen Wehrordnung
in der Eidgenossenschaft auf. Doch erst durch die Bedrohung durch Wrangels Heer
rangen sich die Abgeordneten der einzelnen Orte zu einer Ausführung durch. So
kam es 1647 in Wil zur Unterzeichnung des "Defensionale von Wyl" in welcher die
Mobilmachungsaufstellung von kantonalen Truppen vereinbart wurde.
Das erste Aufgebot sah 12 000 Mann vor. Zwei weitere in gleicher Stärke sollten
als Reserve folgen. Die unterzeichneten Orte hatten ihre jeweils vorgeschriebenen
Kontingente zu stellen. Die rasche Grenzbesetzung die auf das "Defensionale von
Wyl" folgte zeigte Erfolg: General Wrangel achtete die Neutralität des eidgenössischen
Territoriums und der befürchtete "Schwedensturm" auf das Land blieb aus.
Das "Defensionale von Wyl" wird als die erste schweizerische Wehrverfassung und die
Geburtsstunde der Schweizer Armee bezeichnet.